Wie retten wir den ersten August?

Ansprache vom Carmen Walker Späh

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Wie können wir den ersten August retten?

Jetzt fragen Sie mich sicher: Warum um Himmels willen muss der erste August gerettet werden? Es läuft doch alles wunderbar: Familie, Freunde, freier Tag, Rot und Weiss – was braucht es mehr?

Ich erzähle Ihnen dazu eine kurze Geschichte, die ich immer und immer wieder von meiner Mutter hörte. Zwei Mal im Jahr gab es für die sechs Kinder eine ganze Wurst. An Weihnachten eine Wienerli und am 1. August ein Cervelat – wie heute. Meine Mutter ist weder besonders arm noch besonders reich aufgewachsen. Aber so ist es damals eben gewesen, in den Jahren des zweiten Weltkrieges. Damas waren gewisse Lebensmittel wie Brot und Mehl «rationiert» und man musste Märkli sammeln, um ein Brot kaufen zu können. Man hatte damals Hunger.

Ich bin dankbar, dass es heute anders ist. Das zeigt mir, dass unser Land einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hat. Zum Guten. Darum nochmals die Frage: Warum muss der erste August gerettet werden?

Ich habe eine Vision für den ersten August: Ich will, dass auch unsere Enkel einmal sagen können: Unser Land hat einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Seien Sie ehrlich: Denken Sie, dass es so kommt?

Vielleicht sind Sie optimistisch? Ich bin es! Aber dafür müssen wir aber ein paar Dinge anpacken. Weil unsere Art zu Leben, zu Denken und zu Sein unter Druck steht. Unser Schweizer Weg steht an einer Kreuzung. Wir müssen wachsam sein, welche Richtung wir einschlagen.

Deshalb will ich den ersten August retten, und alles wofür er steht: Freiheit. Einigkeit. Gemeinsinn. Die Stärke der Tradition und die Kraft der Innovation. Das, was uns ausmacht.

Denn schauen wir uns doch einmal um: Die Gräben öffnen sich. Zwischen Mann und Frau, zwischen Alt und Jung, zwischen Stadt und Land, zwischen Arm und Reich, zwischen Du und Ich…

Ich sage: Genug damit. Schütten wir die Gräben wieder zu! Von Entfremdung profitieren nur Wenige. Von Einigkeit profitiert unser ganzes Land.

Das geht nur, wenn wir wieder mehr Verantwortung übernehmen. Selbstverantwortung. Und auch Verantwortung für die anderen. Das hört man ja heute gar nicht mehr so gerne. Und man kommt mit solchen Aussagen stark in Gegenwind. Wie Sie an meiner Frisur unschwer erkennen können. Ich bin ständig im Gegenwind.

Denn Verantwortung übernehmen, bedeutet noch mehr Arbeit. Und davon haben wir ja alle genug, höre ich immer wieder. Soll doch der andere das machen. Soll doch die andere schauen. Ich mache selbst schon genug.

Verständlich, irgendwie. Aber so kommen wir nicht weiter. So werden unsere Kinder und Enkel nicht zurückblicken und sagen: Heute haben wir es besser. So retten wir den ersten August sicher nicht.

Sie und ich wissen genau: Unsere Heimat ist nicht durch Mittelmass und Wegducken erfolgreich geworden. Nicht durch die Vollkaskomentalität. Nicht weil der Staat uns versichert und jemand anderes für uns zahlt. Wir sind stark, weil wir selbst die Rechnung übernehmen. Weil wir füreinander da sind. Weil wir uns nicht scheuen, die Verantwortung zu übernehmen.

Unsere Vorväter und deren Mütter haben Verantwortung getragen. Und sind mit der Freiheit belohnt worden. Freiheit vor dem Staat. Freiheit im Wirtschaften. Freiheit im Denken.

Davon ist unsere Heimat auch heute noch geprägt. Aber ich fürchte, dass diese Freiheit langsam einreisst. Subtil. Unter Deckmäntelchen. Darum müssen wir wachsam sein.
Ich frage Sie: Sind wir heute wirklich frei? Frei zu sagen, was wir denken? Früher sind Menschen an den Pranger gestellt worden. Schrecklich. Aber noch schlimmer: Er ist wieder da. Im Social Media-Zeitalter wird man für jedes falsche Wort blossgestellt. Nicht nur vor dem Dorf. Vor der ganzen Welt.

Darum frage ich Sie noch einmal: Sind wir heute frei? Ich finde: Wir sind heute zu stark eingeschränkt in dem, was wir sagen. Jeder Satz muss auf die Goldwaage gelegt werden. Jede Aussage könnte jemanden beleidigen. Das befohlen politisch Korrekte fesselt uns. Das schadet der Diskussion, das schadet dem Fortschritt.

Denn selbstverständlich haben nicht immer alle die gleiche Haltung und Meinung. Das ist auch gut so ... Vor allem, wenn sich meine Meinung am Schluss durchsetzt. Im Ernst: Mit unterschiedlichen Meinungen muss man umgehen können. Sonst diktiert uns irgendwann jemand, was richtig ist. Davor graust es mir.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Das Abwägen der Argumente, genauso wie Respekt und Höflichkeit sind wichtig. Nur Poltern bringt ja auch nichts. Aber ich werde bis zum Schluss dafür kämpfen, dass jeder seine eigene Meinung bilden, haben – und äussern – darf. Wie hat es Voltaire gesagt: «Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.»

Ich verteidige den Wettbewerb der Ideen. Und am Schluss soll die Beste gewinnen. Nicht jene, die der Stärkste will, oder die Reichste. Sondern die beste Lösung. Das hat die Schweiz erfolgreich gemacht. So haben wir heute Grund zum Feiern. Und so werden wir den ersten August retten.

Ja, das ist anstrengend, ich weiss. Anstrengend, belastend, wie so vieles andere auch: Ein kleines fieses Virus hat unserer Gesellschaft eine tiefe Wunde zugefügt, die noch nicht vernarbt ist. Europa ist angegriffen worden und wir haben fast 100‘000 Geflüchtete bei uns aufgenommen. Die Inflation frisst unser Geld, alles ist teurer geworden. Und nicht einmal der Böögg explodiert mehr …!

Kein Zweifel: Die Herausforderungen sind grösser geworden. Das höre ich immer wieder, wenn ich mit den Leuten spreche. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Ziehen wir uns zurück und ballen die Faust im Sack gegen «die da oben». Oder treten wir den Problemen mutig, klug und ruhig entgegen?

Harte Zeiten schaffen starke Menschen. Und starke Menschen schaffen gute Zeiten. Gute Zeiten schaffen schwache Menschen. Und schwache Menschen schaffen harte Zeiten. Wollen wir unseren Kindern harte Zeiten hinterlassen?

Ich denke, es lohnt sich dem anderen zuzuhören. Es lohnt sich, seine Meinung und Haltung zu ändern, wenn jemand ein gutes Argument hat. Das ist Stärke, nicht Schwäche. Und genauso lohnt es sich auch dann für seine Haltung einzustehen, wenn die anderen einfach nur laut und schrill sind, wenn die anderen moralisieren, statt argumentieren, wenn auf die Person gezielt wird, statt über die Sache zu diskutieren. Es lohnt sich garantiert, für die Freiheit einzustehen.

Diesen Geist will ich auch heute wieder spüren – und ich spüre ihn heute. Ich will, dass wir uns nicht entzweien lassen, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Ich will, dass jede und jeder von Ihnen Verantwortung übernimmt, für sich selber – und für die Nächsten. So schliessen wir die Reihen. So retten wir den ersten August.

Geschätzte Gäste, liebe Schweizerinnen und Schweizer, liebe Schweizerinnen und Schweizer im Herzen, Rafzerinnen und Rafzer.

Tragen wir Sorge zu unserem Land und unseren Werten. Als Liberale kämpfe ich für das Erreichte. Kämpfen Sie mit mir zusammen, dass es so bleibt.

So retten wir den ersten August.